Wunstorf: Steinhudes Italiener stammt aus Vietnam
Wer sich in der Ferne ein neues Leben aufbaut, hat oft interessante Geschichten zu erzählen. Zum Beispiel der Steinhuder Gastwirt The Trung Mai, der von den Stammgästen in seiner Wahlheimat nur Marco genannt wird.
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Published : 2 years ago by Kathrin Götze in
Steinhude. Wenn der ganz große Andrang nachlässt, kommt The Trung Mai meist aus der Küche. Der Inhaber des Restaurants Al Mare in Steinhude begrüßt Stammgäste, bleibt für einen Plausch am Tisch stehen. Dann wird meist viel gelacht, der Wirt ist fröhlich und scherzt mit den Gästen. Sein wirklicher Name fällt dabei aber nie: In Steinhude wird The Trung Mai nur Marco genannt.
„Das konnten sich die Italiener besser merken, mit denen ich in Hannover zusammen gearbeitet habe“, sagt Mai achselzuckend. So habe sich der Spitzname eingebürgert, und das sei auch völlig in Ordnung so. „Passt doch gut“, findet der 55-Jährige und lacht. Seit vielen Jahren koche und esse er am liebsten Italienisch.
Natürlich, auch die Küche seines Heimatlandes Vietnam habe ihre Vorzüge, und auch zu Hause habe er viel und gerne gekocht, berichtet Mai. Nudelsuppe, Frühlingsrollen, das sei schon was Feines. Und was sind seine italienischen Lieblingsgerichte? Da überlegt er kurz, hebt dann die Schultern. „Oh, so viel!“, ruft er aus, und lacht einmal mehr. Nudeln, Pizza, Fleisch und Fisch stehen fest auf der Speisekarte, dazu kommt immer eine Auswahl an Saisongerichten wie Hirschgulasch oder Pfifferlinge. „Ich koche und esse alles gern“, sagt Mai und sieht zufrieden aus. Und schließlich: Die Nudeln seien ein Bindeglied zwischen italienischer und asiatischer Küche.
Dass er einmal ein eigenes Restaurant führen würde, war Mai keinesfalls in die Wiege gelegt. Geboren und aufgewachsen ist er in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi, in den 1980er-Jahren war er mit einem Stipendium an die Universität in der seinerzeit tschechoslowakischen Stadt Bratislava gekommen und studierte dort Chemie. Mit dem Diplom sollte er eigentlich nach Hanoi zurückkehren und dort als Chemielaborant arbeiten. Die Welt westlich der damaligen Deutschen Demokratischen Republik war unerreichbar für die Bewohner der Länder hinter dem Eisernen Vorhang.
Doch die Welt änderte sich, mit Glasnost, Perestroika und schließlich dem Mauerfall 1989 taten sich auch für Mai und seine Frau Minh Nguyet Nguyen neue Wege auf. Statt brav in die Heimat zurückzukehren, wagten die beiden den Sprung nach Westdeutschland. „Wir dachten, dort lässt es sich besser leben“, sagt Mai. Dafür habe er auch in Kauf genommen, eine ganze Weile nicht in sein Heimatland einreisen zu können. „Die waren natürlich sauer wegen des Stipendiums. Aber das ist längst verjährt.“
Das Paar kam nach Hannover. Mai folgte seiner Leidenschaft und begann, in der Gastronomie zu arbeiten. Im italienischen Restaurant La Pergola lernte er zusätzlich zur vietnamesischen und slowakischen Sprache auch noch Deutsch und Italienisch. Außerdem schaute er den Kollegen in der Küche über die Schulter. „Ich habe viel von den Köchen gelernt, den Rest habe ich mir selbst beigebracht.“
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Nach Steinhude seien sie schließlich Anfang der 1990er-Jahre gekommen, berichtet Mai. Erst habe er als Koch im Restaurant Al Mare gearbeitet bis der damalige Eigentümer 1994 in den Ruhestand gehen wollte. Mai übernahm. Im nächsten Jahr ist das 30 Jahre her. Genug, um sich im beschaulichen Steinhude heimisch zu fühlen? „Ja, wirklich“, sagt Mai. Als er seine Mutter das letzte Mal besuchte, habe er sich plötzlich sagen hören: „Mama, tschüss, ich fahre jetzt nach Hause.“
Sie habe ihn etwas erschrocken angesehen. „Aber es ist wirklich so.“ Das beschauliche Leben im Ort am Meer, das gefalle ihm auch besser als die Hektik in der Großstadt Hanoi. Zwei Kinder hat das Paar in Steinhude großgezogen, mit den Nachbarn Höhen und Tiefen erlebt. Oder, wie es Mai sagt: „Ich mag meine Nachbarn, und meine Nachbarn mögen mich.“ Das merkt man auch am Publikum im Restaurant: Vor allem Einheimische kommen dort zum Essen.
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